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Der Tod und das Leben danach

Samuel Scheffler, Professor für Philosophie und Recht an der New York University, setzt sich in seinem 2013 erschienen Buch „Der Tod und das Leben danach“ mit folgender Fragestellung auseinander: „Wie würden Sie reagieren, wenn sie wüssten, dass 30 Tage nach ihrem Tod die Erde und damit alles Leben auf ihr unwiederbringlich zerstört werden würde? Wie würde dieses Wissen die Art und Weise, wie sie ihr Leben führen, beeinflussen?“

Ich empfinde diese Fragestellung als besonders bedeutsam für die heutige Zeit, in der unsere Lebensgrundlagen - angeführt durch die Klimakrise - so stark bedroht sind, dass ein Verschwinden unserer Gattung, in einem für unser Empfinden fassbaren Zeitraum möglich erscheint. Es verwundert daher etwas, dass der Autor in seinen philosophischen Betrachtungen von dem fiktiven Szenario ausgeht, dass unser Planet durch eine Kollision mit einem riesigen Asteroiden vollständig zerstört werden würde. Ich erkläre mir dies einerseits mit dem Erscheinungsdatum des Buches, welches noch vor dem Pariser Klimaabkommen 2015 erschienen ist. Es könnte sich aber auch um die bewusste Absicht handeln, die Komplexität der Situation zu reduzieren, um dadurch bestimmte Betrachtungsweisen isolieren zu können.
Er kommt infolge seinen ersten Überlegungen zu dem Schluss, dass die meisten Menschen mit tiefer Betroffenheit auf das Untergangsszenario reagieren würden. Weiterhin geht er davon aus, dass es uns Menschen wichtig ist, dass die Dinge an denen uns etwas liegt, auf Dauer fortgesetzt und erhalten werden. Wir sind daher sogar bereit, unser Vermögen instrumenteller Rationalität einzuschränken, um Ziel zu verfolgen, die wahrscheinlich erst erreicht werden können, nachdem wir gestorben sind. In diesem Sinne begründet er unser Vertrauen, dass es ein Leben nach dem Tod geben wird. Viele Menschen seien außerdem der „irrationalen“ Meinung, man sei erst wirklich nicht mehr da, wenn sich niemand mehr an einen erinnert. Dieses Bedürfnis nach sozialer Identität drückt sich auch darin aus, dass es uns wichtig ist, dass unsere Werte in Form von Traditionen nach uns weiterbestehen. Dies hat noch viel mit Egoismus und Individualismus zu tun.
Darüber hinaus sei uns aber die zukünftige Existenz von Menschen, die wir weder lieben noch kennen, wichtiger als unser eigenes Überleben und das Überleben der Menschen, die wir lieben und kennen. Denn: „Die Menschheit selbst, als fortdauerndes, historisches Projekt, bildet den impliziten Bezugsrahmen für den Großteil unserer Urteile darüber, was von Bedeutung ist.“

Ich beschäftige mich ja vor allem mit der Frage, warum Menschen die Möglichkeit eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs aufgrund der Klimakrise so massiv abzuwehren scheinen, dass kein Dialog und als Folge dessen kein öffentlicher Diskurs darüber möglich ist. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass uns dieser Gedanke automatisch auch die Möglichkeit des Aussterbens unserer Gattung bewusst machen würde, womit wir dann krisenhaft überfordert wären. Das Einlassen auf dieses Szenario würde die Sinnhaftigkeit unserer Existenz aufs tiefste in Frage stellen. Möglicherweise hat Scheffler auch aus diesem Grund ein sehr unwahrscheinliches Szenario für seine Überlegungen ausgewählt, weil damit eine Distanz möglich wird, die uns hilft, unsere emotionalen Reaktionen besser zu kontrollieren.

Quelle:
Scheffler, Samuel (2015). Der Tod und das Leben danach. Berlin: Suhrkamp Verlag.

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