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Über den Nutzen umweltpsychologischer Forschung

In dem Artikel „The case for impact-focused environmental psychology“ der Fachzeitschrift Journal of Environmental Psychology (Band 74, April 2021) stellen die Autor*innen fest, dass Verhaltensweisen mit hoher Umweltbelastung in der bisherigen umweltpsychologischen Forschung, aufgrund der Priorisierung der psychologischen Theorie, systematisch übersehen wurden. Dazu zählen insbesondere seltene Entscheidungen wie der Kauf von Häusern und Fahrzeugen, Investitionen in Solaranlagen und Entscheidungen über die Familiengröße, welche große Umweltauswirkungen haben. Außerdem neigt die Forschung dazu umweltrelevante Verhaltensweisen zu vernachlässigen, für die nicht-psychologische Determinanten entscheidend sind und für die die Umwelteinstellung nur ein schwacher Prädiktor ist. Die Autor*innen äußern sich bezüglich der Relevanz der bisherigen Erkenntnisse vorsichtig, indem sie feststellen, dass "diese Unaufmerksamkeit gegenüber hochwirksamen Verhalten ... psychologische Erkenntnisse für andere Wissenschaftler und Entscheidungsträger als irrelevant erscheinen lassen kann."
Nach Recherchen des Energiejournalisten Ralph Diermann ist das Instrument des CO2-Fußabdrucks eine Erfindung der Werbeagentur Ogilvy & Mather (2004), die dazu vom Öl- und Gaskonzern BP beauftragt wurde. Dies schreibt er in seinem Artikel „Der CO2-Fußabdruck ist eine Erfindung der Fossilindustrie“ vom 1.10. 2020. Ziel dieser Kampagne war es, die Verantwortung für die Erderwärmung weg von der Fossilindustrie hin zu den Bürgern zu verlagern.
Wichtige Forschungsfragen der Umweltpsychologie, welche dem 2016 erschienenen Handbuch „Psychologie im Umweltschutz" entnommen sind, lauten: Wie motivieren wir Menschen zu umweltbewusstem Verhalten? Wie kommen wir vom Wissen zum Handeln? Und wie machen wir aus Vorsätzen Taten? Die darin zitierten Forschungsergebnisse sind auch als wissenschaftlich fundierte Handlungsempfehlungen für die Klimakommunikation zu verstehen. Eine wichtige handlungsleitende Erkenntnis in diesem Zusammenhang besteht darin, Informationen über das Klima nicht so stark zu katastrophisieren, da nämlich dann die Gefahr bestünde, dass sich Menschen nicht mehr in der Lage sehen, überhaupt noch einen Beitrag zu leisten und sie dann ihrer Angst ausgeliefert seien bzw. in Fatalismus verfallen.
Welchen Wert, besitzen diese Erkenntnises allerdings noch, wenn wir uns dessen bewusst sind, dass sich der Forschungsgegenstand 1. an einem PR-Trick von BP orientierte und 2. relevante Faktoren in der Forschung über Jahre hinweg systematisch übersehen wurden? Inwiefern ist eine Umweltpsychologie außerdem bereit, sich diesen Fragen zu öffnen und den Erkenntnisgewinn und damit den Nutzen für die Gesellschaft über institutionelles Eigeninteresse zu stellen?

Quelle:
Hamann, K; Baumann A; Löschinger D. (2016): Psychologie im Umweltschutz. München: Oekom Verlag.

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