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Warum reagieren die meisten Menschen nicht angemessen auf die Klimakrise?

Verdrängung und Verleugnung sind Phänomene, die nichts mit einem Mangel an Informationen zu tun haben und sie können daher auch nicht allein durch Aufklärung und Informationsvermittlung überwunden werden. „Wer eine Wahrheit nicht hören will, fühlt sie schon“ heißt es in einem Zitat, dessen Urheber mir leider unbekannt ist. Sinneseindrücke und Teile der Wirklichkeit, die als bedrohlich erlebt werden, werden dem Bewusstsein unzugänglich gemacht und verhindern somit auch eine angemessene Reaktion. Dieser Prozess findet weitestgehend unbewusst statt. Meiner Erfahrung nach ist aber eine bewusste Entscheidung notwendig, um diese Blockade aufzulösen. Viele Klimaaktivist*innen berichten darüber, dass ihnen eigentlich schon lange auf eine diffuse Weise bewusst war, dass irgendetwas mit dem Zustand unseres Planeten nicht in Ordnung ist und dass es einen Punkt in ihrem Leben gab, wo sie dieses diffuse Gefühl bewusst an sich herangelassen haben. Für mich stellt sich daher die Frage, was der Auslöser und die Bedingungen dafür waren, sich bewusst für die Wahrnehmung dieser unangenehmen Wahrheit zu entscheiden und was wir tun können, um diese Bedingungen zu schaffen.
In diesem Zusammenhang sind meines Erachtens zwei Faktoren von besonderer Bedeutung. Identität und Zugehörigkeit. Klimaaktivist*innen berichten davon, dass sie nach diesem Prozess des „Aufwachens“ ihre Prioritäten in ihrem Leben völlig neu sortiert haben. Einige haben sich sogar dazu entschieden, mit ihrem Studium zu pausieren oder ihre Berufstätigkeit aufzugeben, um sich ganz dem Schutz unserer Lebensgrundlagen zu widmen. Solch eine Neuausrichtung führt aber auch zu einem vorübergehenden Identitätsverlust, denn ein Großteil womit sich diese Person bisher identifiziert hat, verliert an Bedeutung. Dies ist auch konsequent, da effektiver Klima- und Umweltschutz auch unsere bisherige Lebensweise und unser daraus entstandenes politisches System, also unsere Identität in Frage stellen muss.
Worunter Klimaaktivist*innen besonders leiden ist nicht in erster Linie, sich die Zukunft unseres Planeten vorzustellen, sondern die kognitive Dissonanz auszuhalten, die entsteht wenn die dazugehörigen Ängste und Sorgen von der Mehrheit der Gesellschaft nicht geteilt werden. Viele Klimaaktivist*innen berichten, dass sie aus vielen sozialen Bezügen herausgefallen sind und sich stark isoliert fühlen. Dem folgend könnte man also den Schluss ziehen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Mensch bewusst für ein „Aufwachen“ entscheidet erhöht wird, wenn die neue Identität, also die neu gefunden Werte von Menschen geteilt werden, die für einen bedeutsam sind. Dies ist allerdings in einem Kulturkreis der sehr stark von Individualismus geprägt ist, schwer und leider auch nicht kurzfristig erreichbar. Sich eine Gesellschaft jenseits von Individualismus vorzustellen und sich selbst daraufhin auszurichten, ist eine mühsamer und auch schmerzlicher Prozess in dem die eigene Identität, die eigenen Werte und Privilegien reflektiert und verändert werden müssen. Aufklärung und Informationsvermittlung erfordern solch einen tiefgreifenden Prozess allerdings nicht und versprechen relativ kurzfristige Erfolge und Entlastung. Es ist daher auch ein bequemerer Weg. Die meisten Menschen, die diesen Weg propagieren sind gebildete und privilegierte Menschen, die vom derzeitigen System auch maximal profitieren. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit diese Menschen wirklich bereit dazu sind, sich mit allen Konsequenzen auf einen tiefgreifenden Wandel einzulassen und wie sie selbst einen solchen Wandel blockieren. Die bisherige Klimakommunikation war von der pädagogischen Strategie geprägt, keine Panik zu schüren und den Blick auf mögliche Handlungsoptionen zu lenken, um somit eine Art Selbstwirksamkeitserfahrung zu ermöglichen. Diese Pädagogik hält die Menschen, aber auch kleiner als sie sind, erhöht damit auch die Position der Pädagogen und schreibt somit bestehende Machtverhältnisse fort.

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